Gasshuku in Tschechien

Unser diesjähriger Sommerurlaub stand ganz im Zeichen des Karate. Zum Auftakt unserer „Karatesaison“ brachen wir am 02.07.2009 nach Tschechien auf, um neue Erfahrungen in fremden Landen zu machen.
Beim Instruktorlehrgang 2008 in Tauberbischofsheim erfuhr Daniel von diesem Event in Prachatize (Tschechien) durch einen alten Kader-Freund und bekundete kurzerhand unser Interesse. Der Rest ging alles ganz schnell, die Planung wurde gemacht, Urlaub beantragt und ehe wir uns versahen, waren wir schon angemeldet. Nun hieß es nur noch warten, dass die Zeit schnell vergehe.

Am 02.07. war es endlich soweit. Kurz nach 8 Uhr bestieg ich den Zug in Göttingen, der mich über Frankfurt (wo Daniel dazu stieg) nach Stuttgart bringen sollte. Von dort aus ging es mit den Leuten vom Dojo aus Betra bei Stuttgart im Auto weiter. Weitere 4 Stunden darauf kamen wir gegen 19 Uhr in Prachatize an.

Durch die Ortskenntnis unserer Begleiter war der Veranstaltungsort schnell gefunden und nach der Anmeldung gingen wir zuerst einmal auf Futtersuche. In einem netten kleinen Restaurant wurden wir fündig und stillten unseren Hunger bei tschechischem Bier und weniger tschechischen Gerichten ;o). Nicht ahnend, dass die eigentliche Herausforderung des Tages noch vor uns lag, genossen wir unseren ersten Abend des Gasshukus. Nachdem wir die Nahrungsaufnahme hinter uns gebracht hatten, sollte nun auch das Quartier bezogen werden. Doch dies zu finden war keine so leichte Übung. Wir hatten zwar die Beschreibung des Verantwortlichen, doch brauchten wir einige Zeit voller Straßen-auf-und-ab-rennen-telefonieren-verzeifeln-und-auf-Hilfe-warten, ehe auch diese Herausforderung gemeistert war. Letztendlich fanden wir uns in einer Art unbewohnten Internat für Schüler wieder, in dem wir freie Zimmerauswahl hatten. Neben den 2 – 6 Bett-Zimmern standen uns eine Küche mit Kochgelegenheit und Kühlschrank, 2 Dusch- und Waschräume, eine Waschmaschine, Toiletten und ein Aufenthaltsraum mit Fernseher zur Verfügung und das alles nur 5 Minuten vom Trainingsort entfernt! Man kann also sagen, dass wir für Gasshuku-Verhältnisse in purem Luxus lebten! Den Abend verbrachten wir noch in freudiger Erwartung der kommenden Tage in gemütlicher Runde.

Obwohl bei uns das Gasshuku in Tschechien nicht sehr bekannt ist, handelt es sich dabei um ein Karate-Event der Extraklasse. Mit nur 230 Teilnehmern bekommt dieses Gasshuku zudem schnell einen sehr familiären Charakter. In diesem Jahr beehrten uns die vier Karategrößen Naka-Sensei, Okuma-Sensei, Sawada-Sensei und Akita-Sensei mit ihrer Anwesenheit. Die beiden JKA-Instruktoren Naka- und Okuma-Sensei waren direkt vom Honbu-Dojo eingeflogen, wo Naka-Sensei (auch bekannt aus dem Film „Kuro Obi“) einer der Trainer der Instructor-Class ist , Sawada-Sensei könnte man als den „belgischen Ochi“ bezeichnen und Akita-Sensei sollte den meisten als Leiter Shotokan-Karate-Assoziation in England bekannt sein.
Ebenso wie bei „unserem“ Gasshuku erwarteten uns pro Tag 3 Einheiten, wobei die Danträger die Möglichkeit hatten, täglich an einer zusätzlichen Trainingsstunde mit jeweils einem der 4 Trainer teilzunehmen. Da nur eine Halle zur Verfügung stand, gab es nur 3 Trainingsgruppen, die nacheinander trainierten, wobei zur morgendlichen Kata-Stunde die Braun- und Schwarzgurte gemeinsam zusammen kamen.

Zum Training an sich ist zu sagen, dass man nicht das Gefühl hatte, dass die Schwerpunkte der einzelnen Einheiten der Oberstufe willkürlich gewählt waren. Alles in allem ergab sich ein großes Ganzes mit dem Hauptziel die Hüftarbeit und Schnelligkeit zu verbessern. Dennoch hatte jeder Trainer seine eigene Art einem dies näher zu bringen. Naka-Sensei bestach durch seine unglaubliche Schnelligkeit und Perfektion der Technik. Vor allem bei den Danträgern nahm er sich viel Zeit um die Abläufe und Schwerpunkte einzelner Technikausführungen zu erklären, wobei ich des öfteren schmunzeln musste, da mir einige Erklärungen wirklich sehr bekannt vorkamen. „Wie mache ich starke, dynamische und lange Techniken?“ – so könnte man das Motto seines Trainings nennen. Um dies zu erreichen wurde besonderer Wert auf den Hüfteinsatz und lange Tsukis (Schulter etwas weiter rein als normal, dabei aber nicht den Oberkörper weiter eindrehen) gelegt.
Okuma-Sensei bestach von Anfang an durch seine besonders charismatische und sympathische Art. Er selbst ist ein eher untypischer Japaner: Mit seinen ca. 1,90 m Größe, der tiefen Stimme und dem massiven Körperbau, versetzte er einen immer wieder ins Staunen. Dennoch ist sein Karate sehr dynamisch und schnell und genau dies machte er zu seinem Schwerpunkt. Neben dem Kihon mit Hüfteinsatz etc. ließ er uns (Blau- und Braungurte) am Ende jeder seiner Einheiten in 10er-Gruppen zusammen kommen, wobei sich 5 Leute hintereinander ins Kamae stellten (Blick nach vorn, wo sich die anderen 5 aufgereiht hatten) und die anderen 5 ihre „Gegner“ nacheinander mit einem Kizami-Zuki (später auch Gyaku-Zuki, dann abwechselnd) so schnell wie möglich hintereinander und ohne Zwischenschritte angreifen sollten. Eine Übungsform die wirklich Spaß macht, aber auch sehr anstrengend ist :o)). Ich kann auf jeden Fall sagen, dass allein diese beiden Senseis die Anreise wert gewesen waren!
Sawada-Sensei war mit seinen 57 Jahren der älteste unter den Trainern. Neben seinem soliden Grundschultraining wollte er uns traditionelle Anwendungen einiger Katas näher bringen. Scheinbar war es damals wichtig, den Gegner zu verwirren indem man seinen Fokus auf etwas anderes lenkte um ihn dann „überraschend“ anzugreifen. Aus heutiger Sicht erscheint dies manchmal vielleicht etwas komisch, aber wer weiss, man kann es ja mal ausprobieren.
Akita-Sensei ist mittlerweile schon ein „alter Hase“ in Deutschland. Man kennt ihn von diversen Gasshukus, Wochenend-Lehrgängen und unter anderem auch vom Pfingstlehrgang mit Risto alle 2 Jahre in Berlin. Der Schwerpunkt seines Trainings ist die Übung der Basics. Wobei er bei diesem Gasshuku teilweise sogar auf die Basics der Basics zurückgriff, als er in allen 3 Gruppen das gleiche Training anbot, in welchem es um das Vorwärts- und Rückwärtsgehen und das Strecken des hinteren Beines ging. Alles in allem ergab sich aus seinem Training leider keinerlei neue Erkenntnis.

Zurückblickend lässt sich aber eines mit Bestimmtheit sagen: Auch wenn für uns aufgrund unserer Vorerfahrung durch das jahrelange Training bei Risto viele Trainingsinhalte nicht wirklich neu waren, so haben wir wieder einmal erlebt, dass jeder Trainer anders ist und selbst wenn sich seine Schwerpunkte nicht von den unseren unterscheiden, die individuelle Ausdruckfähigkeit manchmal zu einem „Aha-Effekt“ führt und man zu der ein oder anderen Technik einen noch besseren Zugang findet. Allein aus diesem Grund und natürlich auch aufgrund der Erfahrung mit anderen Partnern zu trainieren, wird sich ein Lehrgang und somit ein „Blick über den eigenen Tellerrand“ immer lohnen!

OSS

Josi


Erstellt am 04.09.2009. Letzte Änderung am 04.09.2009 von Roman Mueller